2590 - Der Tote und der Sterbende by Michael Marcus Thurner

2590 - Der Tote und der Sterbende by Michael Marcus Thurner

Autor:Michael Marcus Thurner [Thurner, Michael Marcus]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-04-23T04:00:00+00:00


5.

Friedhofsstille

11.56 Uhr. Es war die richtige Zeit für einen Ausritt.

Piet Rawland sattelte seinen metallenen Gaul. Er gab sich unruhig wie ein wildes Indianer-Pony, und es akzeptierte nur widerwillig den Sattel auf seinem flachen Widerrist.

Er zog sorgfältig den Bauchgurt zu; das Leder fühlte sich weich und geschmeidig an. Für einen Augenblick überlegte er, ein Bosal anzulegen, verwarf den Gedanken aber. Nur, weil das metallene Vieh Pony-Charakter zeigte, wollte er nicht auf den Vorteil der gewohnten Zügelführung verzichten. Er zog das scharfe kupferne Snaffle Bit durchs Maul des Gauls und zog fest daran. Um ihm zu zeigen, wer hier das Sagen hatte. Die Zügel waren ein wenig zu lang. Er kürzte sie mit dem Messer und warf die abgeschnittenen Lederstücke achtlos beiseite.

Er umrundete das Pferd und hielt dabei den nötigen Respektsabstand. Piet achtete darauf, dass es ihn stets im

Blickfeld behielt. Die Ohren waren weit gespreizt und vermittelten den Eindruck von Entspanntheit - und dennoch schlug das Pferd im nächsten Augenblick mit den Hinterläufen aus, völlig unvermittelt, völlig gegen das Verhalten seiner Art, und verfehlte Piet bloß um wenige Zentimeter, um sich gleich darauf wieder zu beruhigen.

Der ehemalige Revolverheld trat an die Seite seines Reittiers und klopfte ihm beruhigend auf den Hals. Er fühlte die stählernen Muskeln darunter.

Er durfte sich nicht täuschen lassen: Dies war kein Lebewesen, sondern ein Ding, geschaffen von der QUEEN OF ST. LOUIS. Die Sektorknospe verhielt sich nicht fair. Sie arbeitete mit kleinen, fiesen Tricks, um ihn aus der Ruhe zu bringen.

Nun - damit hatte er gerechnet. Doch schon Großmutter Henri hatte ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit gepredigt, dass er Geduld haben und auf seine Chance warten müsse.

»Cowboys, die ihre Kugeln im Zorn abfeuern, verlieren«, hatte sie gesagt. »Da ist es einerlei, ob du ein Rudel räudiger Kojoten verjagen möchtest oder mit einer Wildkatze im Bett fertig werden musst. Für beide Gelegenheiten gilt: Lass dich von vermeintlichen Nachteilen nicht kirre machen. Du wartest, Piet. Du drückst erst ab, wenn du das Weiße in den Augen von Bruder Kojote oder Schwester Wildkatze siehst.«

Piet hatte nicht immer alles verstanden, was Henri ihm erzählt hatte. Doch ihre kernigen Vergleiche waren ihm für alle Zeiten in Erinnerung geblieben, und, gosh, das für alle Zeiten hatte im Laufe der Jahrtausende einen wirklich irritierenden Beigeschmack erhalten.

Er zupfte die Steigbügel zurecht wie immer und überprüfte den Sitz des Bauchgurts ein weiteres Mal wie immer.

Dann schwang er sich auf den Gaul. Das Vieh drehte die Augen weit nach hinten, schüttelte dann den Kopf. Strähnige, schweißverklebte Haare flogen durch die Luft, Staub flirrte umher.

»Ho, Weißer«, sagte Piet Rawland und zupfte am Zügel. Er nahm die Beine vom Körper des Tiers; augenblicklich trabte es los. Er würde es Joanne nennen in Erinnerung an ... Egal.

Es verließ die Kommandozentrale und glitt in eine sonnenbeschienene, karge Felslandschaft. In der Ferne zeigten sich blaugraue Felsformationen, die dem Vorgebirge der Rockys ähnelten. Es ging hügelan und hügelab, stets in ruhigem Tempo. Das Tier tänzelte unruhig und versuchte mehrmals, nach links auszubrechen. Piet musste es immer wieder beruhigen und versammeln.

Ein Hain zeigte sich links, völlig unpassend zur übrigen Landschaft.



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